Schadensersatz bei Verstoß gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung




Der BGH hat entschieden, dass ein Vertragspartner Anspruch auf Ersatz der Kosten haben kann, die ihm entstanden sind, weil er entgegen der Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes in Deutschland vor einem US-amerikanischen Gericht verklagt wurde.

Die Parteien sind Telekommunikationsunternehmen. Die Beklagte hat ihren Sitz in Bonn und der Kläger hat seinen Sitz in Washington, D.C. Der Kläger hat seinen Sitz in Washington, D.C. Die Beklagte hat ihren Sitz in Bonn. Sie sind durch ein "Internet-Peering-Agreement" verbunden, wonach sie sich gegenseitig verpflichten, den Datenverkehr der jeweils anderen Partei an sog. Peering-Punkten zu empfangen, auf ihrem Netz zu den darüber angeschlossenen Kunden zu transportieren und die erforderlichen Übertragungskapazitäten an den Peering-Punkten innerhalb ihrer Netze bereitzustellen. Der Vertrag enthält die Vereinbarung, dass deutsches Recht Anwendung findet und der Gerichtsstand Bonn ist. Nachdem die Bemühungen der Klägerin um die (unentgeltliche) Erhöhung der Übertragungskapazität erfolglos geblieben waren, erhob sie im Jahr 2016 vor einem Bundesgericht (District Court) in den USA Klage auf Schaffung zusätzlicher Kapazitäten. Dieses Gericht wies die Klage auf der Grundlage der Gerichtsstandsvereinbarung wegen Unzuständigkeit ab. Nach der amerikanischen Kostenregel gibt es in den Vereinigten Staaten keine Kostenerstattung. Das Bezirksgericht ordnete eine solche Erstattung auch nicht an. Der Kläger hat nun beim Landgericht Bonn Klage mit demselben Inhalt erhoben. Mit der Widerklage verlangt die Beklagte die Erstattung der ihr durch die Verteidigung gegen die Klage vor dem Landgericht entstandenen Kosten, die sie mit 196.118,03 USD beziffert. Die Beklagte hat ebenfalls Widerklage vor dem Landgericht Bonn erhoben.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Der Kläger legte Berufung ein, die sich auf die Widerklage beschränkte. Das Oberlandesgericht wies die Widerklage ab.

Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist die Gerichtsstandsvereinbarung in Bonn und die Geltung deutschen Rechts dahingehend auszulegen, dass die Parteien verpflichtet sind, Klagen aus dem Vertrag nur an diesem Gerichtsstand zu erheben und der anderen Partei die entstehenden Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung zu erstatten, wenn das angerufene Gericht - zumindest soweit das angerufene Gericht, wie das Landgericht, seine Unzuständigkeit anerkannt hat.

Mit einer solchen Vereinbarung hätten die Parteien ihr Interesse zum Ausdruck gebracht, den Rechtsstreit sowohl in materieller als auch in prozessualer Hinsicht planbar zu machen. Insbesondere die im internationalen Rechtsverkehr tätigen Vertragsparteien wollten damit Rechtssicherheit schaffen und (auch wirtschaftliche) Prozessrisiken kalkulierbar machen. Mit der Festlegung eines bestimmten Gerichtsstandes wollten sie einen bestimmten Gerichtsstand auswählen und insbesondere ein nachträgliches Forum Shopping durch eine Vertragspartei verhindern. Dieser Zweck, Zuständigkeitsstreitigkeiten und damit unnötige Kosten für die Anrufung eines unzuständigen Gerichts zu vermeiden, kann nur erreicht werden, wenn der Anrufung eines vertragswidrigen Gerichts dadurch entgegengewirkt wird, dass der dadurch belasteten Partei ein Kostenerstattungsanspruch eingeräumt wird. Mit der Vereinbarung nach deutschem Recht hätten die Parteien zudem sowohl den sich aus § 280 Abs. 1 BGB ergebenden allgemeinen Grundsatz anerkannt, dass die Verletzung vertraglicher Pflichten, insbesondere auch die Verletzung der Pflicht zur Anrufung eines Gerichts, einen Schadensersatzanspruch begründen könne, als auch den Grundsatz, dass eine Partei in einem Zivilrechtsstreit verpflichtet sei, der anderen Partei die zur Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu erstatten. Dem stehe nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die bloße Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte nicht als grundlegender Vertragsverstoß angesehen werden könne, der zum Schadensersatz verpflichte. Dieser Grundsatz schütze den verfassungsrechtlich garantierten freien Zugang zu staatlichen Gerichten. Dieser Zugang werde durch das Risiko der mit einer Klageerhebung verbundenen Kostenerstattungspflicht nicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt.

Die Klägerin habe mit ihrer Klage vor dem Bundesgerichtshof in den USA diese Pflichten schuldhaft verletzt und sei daher schadensersatzpflichtig. Da die Kosten, die der Beklagten durch die vorsorgliche Klageerhebung vor dem District Court in der Hauptsache entstanden sind, noch festzustellen sind, konnte der Bundesgerichtshof in der Hauptsache nicht abschließend entscheiden und hat die Sache daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Frühere Instanzen
LG Bonn, Urt. v. 08.11.2017 - 16 O 41/16
OLG Köln, Urt. v. 26.02.2019 - 3 U 159/17